Interview – Frauen mit Job neben dem Job. Part 1: Kerstin

(veröffentlicht in der finanzielle 01/21)

„Körper, Seele, Geist – und ein Beamtenjob“

Einleitung

Kerstin Pfirrmann (35 Jahre) ist Diplomatin im Auswärtigen Amt und liebt die Abwechslung in ihrem Job: Alle drei Jahre wechselt sie an einen neuen Einsatzort, lebte zuletzt in Athen und Bagdad. Die neuen Standorte bringen nicht nur neue Aufgaben mit sich, sondern auch neue Menschen, fremde Kulturen und ein ungewohntes Umfeld. Aktuell ist Kerstin in Deutschland und verbringt in ihrer Heimatstadt Landau ihre zweite Elternzeit. Als Ausgleich begann sie irgendwann mit Yoga – mittlerweile betreibt sie den Blog www.mymamacircle.com und unterrichtet auch selbst. Über einen Nebenjob, der mehr als nur Geld bringt

von Magdalena Klann

Mein Nebenjob

Ich habe 2008 in Kanada mit Yoga begonnen und wollte  nach einer gewissen Zeit einfach mehr darüber wissen, als das, was in einer Yogastunde vermittelt werden kann: Welche Asana führt man sinnvollerweise nacheinander aus, welche besser nicht? Was bringt diese Streckung, wozu mache ich jene Dehnung. Und: was ist der spirituelle Überbau dahinter? Also habe ich in meiner ersten Elternzeit eine Ausbildung zur Yogalehrerin begonnen und eigentlich erst währenddessen herausgefunden, dass ich ganz gut im Unterrichten bin, weil ich sehr viel positives Feedback von meinen Mitschüler*innen bekommen habe. Es macht mir Spaß, anzuleiten, eine gewisse Stimmung zu generieren und durch Bewegung positive Energie zu erzeugen. Das ist etwas ganz anderes als die ansonsten oft analytische Arbeit im Außenministerium.

Voraussetzungen

Eine Ausbildung zur Yogalehrerin kostet zwischen 700 und 5000 €. Dieses Geld muss man natürlich erst einmal aufbringen. Schwieriger war für mich jedoch die zeitliche Komponente, denn ich und mein in Vollzeit arbeitender Mann hatten in den insgesamt elf Monaten der Ausbildung für die Betreuung eines Säuglings zu sorgen. Manchmal dauerten die Yogaeinheiten zehn Stunden am Stück oder erforderten ein ganzes Wochenende lang meine Anwesenheit in der Gruppe. Gepackt haben wir das unter anderem, weil die Großeltern teilweise extra aus der Türkei angereist sind, um sich um unseren Nachwuchs zu kümmern.

Nach der Ausbildung habe ich dann zunächst zusammen mit einer Freundin bei einem Sportverein unterrichtet, der Räume und Equipment zur Verfügung gestellt hat. Seit Beginn der Corona-Pandemie gebe ich jedoch ausschließlich Online-Kurse, für die ich mir selbst professionelles Equipment angeschafft habe: Leuchte, Kamera, Mikrofon, ein Paravan fürs Wohnzimmer als Hintergrund – das war alles recht kostspielig. Am aufwändigsten empfinde ich jedoch das Marketing: Ich habe eine Homepage erstellt, bin auf Instagram aktiv, habe professionelle Fotos anfertigen lassen, meine eigenen Flyer entworfen und überlege mir Aktionen wie zum Beispiel anlassbezogene kostenlose Stunden, deren freiwillige Einnahmen ich spende.

Verdienst

Es gibt große Unterschiede, was man mit einer Yogastunde verdienen kann: In einem Studio erhält man als Yogalehrer*in der Regel pauschal zwischen 25 und 35 € pro Gruppe. Finanziell ist es darum lukrativer, sich selbst zu vermarkten und online Kurse durchzuführen. Wenn beispielsweise zehn Leute in meinem Online-Kurs mitmachen und ich von jeder Person 10 € verlange, ergibt das 100 € pro Yogastunde. Am meisten lohnen sich Workshops, Retreats und größere Events – auch weil man Teilnehmer*innen besser kennenlernen und sich voll und ganz auf individuelle Anforderungen einlassen kann.

Je mehr Marketing ich mache, desto mehr Leute machen mit, desto mehr verdiene ich – das Ergebnis ist direkt im Geldbeutel spürbar. Marketing verlangt jedoch stets aktuelle und ansprechende Medienpräsenz. Außerdem müssen die einzelnen Stunden inhaltlich vorbereitet werden, ich selbst will mich weiterbilden und beschäftige mich gezwungenermaßen auch mit so trockenen Themen wie Buchführung, Steuern, Nebentätigkeitsregularien, Kameratechnik und dergleichen. Auch wenn es lukrativer ist, online Kurse zu geben, ist es für mich persönlich wertvoller, direkt mit Menschen zu interagieren und nicht immer alleine vor dem Bildschirm zu sitzen. Daher will ich, sobald Corona es zulässt, wieder in ein Studio – nicht zuletzt, um weiter Live-Erfahrung im Unterrichten zu sammeln.

Mehrwert

Für mich ist es sehr bereichernd, neue Menschen kennenzulernen, die sich in anderen Lebenswelten befinden als ich selbst. Yoga fasziniert und interessiert ja die unterschiedlichsten Menschen: Alle haben verschiedene Hintergründe und Charaktere, machen aber gemeinsam Yoga, sodass ein ständiger, bunter Austausch entsteht. Das kann auch herausfordernd sein, weil man auf Einzelpersonen und deren Bedürfnisse, die einem gegebenenfalls fremd erscheinen, eingehen will. In der Yogawelt herrscht sowohl mit den Teilnehmenden als auch unter den Lehrenden ein sehr entspannter, unkonventioneller Umgang. Man berührt sich eher, ist emotional offen und informell – ganz anders als in der diplomatischen Amtswelt. Ich bin dankbar, dass ich mich ausprobieren kann, bin mal bedacht und reflektiert, gleichzeitig gefühliger als früher, vielleicht sogar spirituell oder philosophisch. Das tut mir gut –  als Mama, als Familienmensch, als Diplomatin, als Führungsperson, als Freundin, als Partnerin. Und es bringt mich weiter auf meinem Weg, weil ich auf eine neue Weise erleben darf, wie vielseitig die Welt sein kann.

Vision

Aktuell bin ich mit meinem zweiten Kind in Elternzeit und gebe mehrmals wöchentlich Kurse. Ich habe mich unter anderem in den Bereichen Prä- und Postnatalyoga sowie Thaiyogamassagen weitergebildet, so dass ich auch spezielle Kurse etwa für werdende sowie frisch gebackene Mütter gebe. Meine Vision ist, mütterorientierte Retreats und Workshops anzubieten, die an schönen Orten Natur, Seelenruhe und Erholung bieten. Mich interessiert das Thema Selbstfürsorge und Achtsamkeit bei jungen Müttern: Kurz nach der Geburt konzentrieren sich alle auf das Baby, nicht aber auf die Mama – ich wünsche mir, dass auch die Mamas gehalten werden. Dass ich meine Yogakurse von überall auf der Welt geben kann, ist wichtig, denn ich werde in absehbarer Zeit mit meiner Familie weiterziehen. Auch lässt sich das Unterrichten sehr gut mit dem Familienleben vereinbaren, da ich meine Stunden sehr flexibel anbieten kann. Ob sich der Yoga-Anteil in meinem Leben noch vergrößert, wird sich zeigen. Meinen Job als Diplomatin will ich nicht aufgeben und ich bin auf die Einnahmen durch meine Yogakurse auch nicht angewiesen – Yoga ist für mich vielmehr ein Ausgleich zu meinem Hauptjob mit finanziellem Benefit. Als größte Bereicherung empfinde ich die Möglichkeit, auch anderen etwas Gutes zu tun: Es ist unbeschreiblich erfüllend, wenn einen nach 60 Minuten Yoga dankbare und glückliche Gesichter anlächeln.

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